Was benutzt wird braucht Pflege – umso älter, umso mehr. Neben all den Berichten von Erlebnissen soll auch die Technik dahinter nicht zu kurz kommen – deswegen gibt es hier jetzt den ersten Bericht von der Werkbank.
Wir sind gerad zurück aus Biarritz zurückgekommen und haben auf der Rückfahrt beschlossen im kommenden Jahr ehemalige Militärstraße in den Alpen bezwingen zu wollen. Auf Motorrädern, die eine Seele und eine Vergangenheit haben mussten. Auf dem Einkaufszettel stand also:
1x Motorrad mit Stollenreifen, alt, vorzugsweise Zweitakt, bitte günstig.
In der heimischen Garage stand eine Suzuki TS50, günstig von einem Kollegen abgekauft, dann verschenkt, wieder neu aufgebaut, … andere Geschichte. Jedenfalls würde es ja Sinn machen diese sehr kleine Suzuki-Sammlung zu vergrößern und erspart den zeitaufwendigen Vergleich mit anderen Modellen oder gar mehr Takten. Jedenfalls macht das Sinn wenn man eine sehr große Schwäche für alte Motorräder hat. Machen wir es kurz – nicht weit weg stand eine TS250 aus dem gleichen Baujahr, halb restauriert für einen fairen Preis. Der Vorbesitzer musste sie nach einem Beschluss der Familie seinem Schwiegervater abkaufen, da Schwiegervatern damit immer vollgetankt aus der Wirtschaft durch den Wald nach Hause geknattert ist. Der Neuaufbau war gescheitert und sie sollte endgültig die Familie verlassen. Klingt ziemlich nach genau dem Vorbesitzer den man sucht. Also einladen und ab nach Hause.
Zuhause konnte man sich dann auch erstmal genau anschauen was wofür hier Bargeld den Besitzer gewechselt hat. Der Rahmen war schwarz lackiert und orange marmoriert. Da haben sich Grundierung und Lack wohl nicht so gut vertragen. Die Elektrik war nicht vollständig und wie es um das Innere des Motors bestellt war blieb im Dunkeln. Bei diesen Suzuki Modellen kann man den Simmering zwischen Getriebe und Kurbelraum nur tauschen wenn der Block offen ist – das war ja vielleicht an der Zeit nach fast 40 Jahren. Folglich wurde auch nur eine Nacht drüber geschlafen und die Entscheidung reifte, dass das wohl ein größeres, wenn auch handwerklich überschaubares, Projekt wird. Der erste Schritt ist natürlich das Zerlegen und folgend eine große Kiste zum Pulverbeschichter und eine zum Galvaniseur des Vertrauens bringen. Die Pulverbeschichtung empfiehlt sich übrigens für die Verwendung im Gelände überhaupt nicht, weil einem spätestens nach fünf Kilometern schon die Tränen in die Augen schießen wenn der erste größere Stein den Unterzug des Rahmens umschmeichelt.
Während alles beim Beschichten war, ging es dem Motor an die Wäsche. In dem Motor fanden sich erstaunlich viel Dreck und ein bisschen Verschleiß. Nichts davon war besorgniserregend. Wenn eh schon alles offen da liegt kann man gleich die Kanäle nacharbeiten und sie von der Werksdrosselung befreien. Wieviel Leistung sie damit wohl haben mag?
Der Pulverbeschichter war auch flott und hat wie gewohnt sauber gearbeitet (alle Gewinde und Passungen sind abgedeckt worden). So steht das Gerät an nur ein paar Abenden im Keller schon recht schnell auf eigenen Beinen. Soweit sind wir noch nah an der Serie, aber man kann es sich ja nicht verkneifen noch irgendwas besser machen zu wollen. Also 12V-Lichtmaschine rein tüddeln, USB-Dose und LED-Spots von freundlichen Chinesen anbauen und dann noch das Feature für die Erheiterung alles eisenharten Mitreisenden und Segen für meine zarten Bürohände: eine Griffheizung.
Jetzt sah das Ganze aber irgendwie noch ein bisschen fad aus. Die lackierten Teile waren handwerklich gut gemacht, wenn auch die Farbwahl eher jemanden entsprach, der seinen Führerschein noch mit Reichsmark bezahlt hat. Aufgrund der verbleibenden Zeit bis zur Abreise, dem unausweichlichen TÜV-Termin, Probefahrten und vor Allem akuter Lustlosigkeit ein Motorrad zu lackieren sollte die Farbe woanders her kommen. Die Sitzbank wurde minimal flacher geschnitten und mit einem Stoffmuster aus dem Fundus an die Sattlerin verschickt. Nach umfangreichen Untersuchungen ihrerseits, hat sie noch eine Folie drunter gezogen, schöne Kedern ausgesucht und handwerklich perfekt abgeliefert.
Die Probefahrt und der TÜV gingen auch vorüber und die Suzuki war bereit für die Tour.
So ein Projekt endet natürlich nie. Nach der ersten Tour wurde offensichtlich, dass etwas mehr Gepäck mitgenommen werden muss, die verbauten Federbeine absolut nix taugen und der nicht mehr lieferbare Auspuff wie auch Scheinwerfer Schutz gegen umherfliegendes Geröll brauchen. Den originalen Gepäckträger gibt es nicht für Geld und gute Worte – weder hier noch in Japan. Die letzte Chance – Veterama Mannheim. Auch hier gab es ihn nicht, dafür ähnliche Rohrkonstrukte als Basis. Ein langer Nachmittag in der Garage macht aus dem Rohr einen passenden Gepäckträger. Durch YSS-Federbeine wurde das Fahren schon um Welten besser aber ist immer noch nicht ganz wie es sein sollte. Die nächsten Federbeine werden angepasst auf Fahrer, Gepäck (rund um den Bauchnabel wie auch auf dem Gepäckträger) und Fahrweise. Schutz für den Auspuff und Scheinwerfer bieten wieder tolle Teile vom freundlichen Chinesen.
So wie sie heute da steht hat die Suzuki mittlerweile mehrere Tausend Kilometer auf Schotter und Straße ohne Probleme weggesteckt, springt immer spätestens auf den zweiten Kick an und nachdem es erst als Spaß für einen Sommer gedacht war, wird sie wohl doch für immer in der Familie bleiben.
Updates, Verbessrungen und weitere Bilder aus der Werkstatt gibt es auf Instagram.
12-Volt Lichtmaschine: http://www.powerdynamo.biz/
Unsichtbare Griffheizung: https://www.coolride.de/
Pulverbeschichtung: https://www.goetz-pulverbeschichtung.de/
Sattlerei: https://www.trueblue666.com/
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